Studie zu Freiheitsentzug bei Kindern in Österreich

Weltweit werden mehr als sieben Millionen Kinder ihrer persönlichen Freiheit beraubt, die meisten in Institutionen wie Waisenhäusern, geschlossenen Kinderheimen oder speziellen Einrichtungen für Kinder mit Behinderung, Alkohol- oder Drogenproblemen. Da das Strafmündigkeitsalter in vielen Staaten schon mit sieben Jahren beginnt, befinden sich viele Kinder, die mit dem Gesetz in Konflikt kommen, auch in Polizei-, Untersuchungs- oder Strafhaft. Darüber hinaus werden Hunderttausende Kinder weltweit in Migrationshaft angehalten, entweder als unbegleitete Minderjährige oder gemeinsam mit ihren Eltern oder sonstigen Begleitpersonen.


Diese Daten ergeben sich aus der United Nations Global Study on Children Deprived of Liberty, die von der VN-Generalversammlung 2014 in Auftrag gegeben wurde und die ich die Ehre hatte, im Namen des Generalsekretärs zu leiten und zu koordinieren. Diese Studie ist das Ergebnis einer weltweiten Zusammenarbeit von Staaten, VN-Teilorganisationen wie UNICEF sowie der beiden Hochkommissariate für Flüchtlinge und Menschenrechte, von 170 nicht-staatlichen Organisationen unter der Leitung von Defence for Children International und Human Rights Watch, KinderrechtsexpertInnen, Menschenrechtsinstituten (wie dem Boltzmann Institut für Menschenrechte) und Universitäten, vor allem jenen, die im Global Campus on Human Rights zusammengeschlossen sind. Im Oktober 2019 habe ich die Global Studie der UN- Generalversammlung in New York präsentiert. Seither versuche ich gemeinsam mit den Vereinten Nationen und dem Global Campus of Human Rights, die Studie und ihre Empfehlungen weltweit zu verbreiten und die Staaten dabei zu unterstützen, diese Empfehlungen in die Praxis umzusetzen. Deinstitutionalisierung, Diversion und das absolute Verbot der Migrationshaft von Kindern sind die drei wichtigsten Empfehlungen der Globalen Studie.


Eines der Projekte, die vom Global Campus of Human Rights zur praktischen Umsetzung dieser Empfehlungen in Auftrag gegeben und finanziert wurden, ist die von Helmut Sax geleitete Studie zum Freiheitsentzug von Kindern in Österreich, die sich vor allem mit der Praxis des Jugendstrafverfahrens und Jugendstrafvollzugs, der Schubhaft, des Gesundheitswesens einschließlich der Psychiatrie und der Situation von Kindern in Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder- und Jugendhilfe auseinandersetzt. Die Schlussfolgerungen dieser Studie sollen den österreichischen Behörden als Anleitung dienen, wie die Empfehlungen der Globalen Studie am besten in die Praxis umgesetzt werden können und wo sich diesbezüglich die größten Probleme und entsprechender Handlungsbedarf in Österreich finden. (…)

Manfred Nowak, September 2022
Univ. Prof. für Menschenrechte in Wien

Den aktuellen Forschungsbericht des Ludwig Boltzmann Instituts „Einsperren ist keine Lösung! Persönliche Freiheit als Kinderrecht – Alternativen zu Freiheitsentzug und Freiheitsbeschränkungen in Österreich“ von Helmut Sax (Leitung), Alexandra Hoheisel, Laura Stelzer et al. finden sie hier.